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Was bedeutet Gesellschaft?

FranzNahrada

Tja, ein Gründerwiki ist vielleicht der falsche Ort um diese Frage in aller gebotenen Allgemeinheit zu bentworten aber ich versuche es, weil mir dieser Link ins Editieren einer anderen Seite geraten ist....FN

Vorbemerkung

  • Ich machs gleich mal polemisch. Ich habe Soziologie studiert und damit vielleicht einen gewisses Background zur polemischen Vereinfachung. Also: die Soziologie sieht in Gesellschaft die "Grundtatsache der Verbundenheit der Individuen" und schafft ihren Gegenstand durch einen Vergleich mit dem Zustand der Ungesellschaftlichkeit, (z.B.: was wäre wenn es die Gesellschaft nicht gäbe? der junge Mann wüßte nicht ob der der Frau einen Heiratsantrag machen oder sie vergewaltigen sollte) und schafft so Gesellschaft als wirkende Kraft die sich in der "Sinnhaft aufeinander bezogenen Natur menschlicher Handlungen" (so in etwa bei Max Weber) äußert, wofür über "Institution", "Norm", "Rolle", "Kultur", "Interaktion" etc. ein gewaltiger Kategorienapparat erschaffen wurde der stets die falsche Anfangsabstraktion - Gesellschaft ist, daß es sie ohne sie nicht gibt - bekräftigt.
  • Natürlich gibt es auch Rationelleres in der Soziologie, aber dazu muß man wahrscheinlich den Begriff der Gesellschaft zugunsten der Gesellschaftsform verlassen: Ich zitiere ein wenig ausführlich aus Marx Einleitung zu den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie" und zwar um sowohl die rationelle Seite des Begriffs der Gesellschaft als auch seine Unzulänglichkeit darzustellen:
    • "In Gesellschaft produzierende Individuen – daher gesellschaftlich bestimmte Produktion der Individuen ist natürlich der Ausgangspunkt. Der einzelne und vereinzelte Jäger und Fischer, womit Smith und Ricardo beginnen, gehört zu den phantasielosen Einbildungen des 18. Jahrhunderts. ....Den Propheten des 18. Jahrhunderts, auf deren Schultern Smith und Ricardo noch ganz stehn, schwebt dieses Individuum des 18. Jahrhunderts – das Produkt einerseits der Auflösung der feudalen Gesellschaftsformen, andrerseits der seit dem 16. Jahrhundert neuentwickelten Produktivkräfte – als Ideal vor, dessen Existenz eine vergangne sei. Nicht als ein historisches Resultat, sondern als Ausgangspunkt der Geschichte. Weil als das naturgemäße Individuum, angemessen ihrer Vorstellung von der menschlichen Natur, nicht als ein geschichtlich entstehendes, sondern von der Natur gesetztes....Erst in dem 18.Jahrhundert, in der „bürgerlichen Gesellschaft“, treten die verschiednen Formen des gesellschaftlichen Zusammenhangs dem einzelnen als bloßes Mittel für seine Privatzwecke entgegen, als äußerliche Notwendigkeit. Aber die Epoche, die diesen Standpunkt erzeugt, den des vereinzelten einzelnen, ist grade die der bisher entwickeltsten gesellschaftlichen (allgemeinen von diesem Standpunkt aus) Verhältnisse. Der Mensch ist im wörtlichsten Sinn ein zoon politikon- nicht nur ein geselliges Tier, sondern ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann.
    • "Es scheint das richtige zu sein, mit dem Realen und Konkreten, der wirklichen Voraussetzung zu beginnen, also z.B. in der Ökonomie mit der Bevölkerung, die die Grundlage und das Subjekt des ganzen gesellschaftlichen Produktionsakts ist. Indes zeigt sich dies bei näherer Betrachtung [als] falsch. Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich z.B. die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse. Diese Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ich die Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhn. z.B. Lohnarbeit, Kapital etc. Diese unterstellen Austausch, Teilung der Arbeit, Preise etc. Kapital z.B. ohne Lohnarbeit ist nichts, ohne Wert, Geld, Preis etc. Finge ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine chaotische Vorstellung des Ganzen, und durch nähere Bestimmung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere Begriffe kommen; von dem vorgestellten Konkreten auf immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten Bestimmungen angelangt wäre. Von da, wäre nun die Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich wieder bei der Bevölkerung anlangte, diesmal aber nicht als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestimmungen und Beziehungen....Das letztre ist offenbar die wissenschaftlich richtige Methode. Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und der Vorstellung ist. Im ersten Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüchtigt; im zweiten führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduktion des Konkreten im Weg des Denkens."

Wenn man also bei der Frage anfängt: was ist Gesellschaft, so könnte man draufkommen, daß es sich ebenso wie beim Individuum um eine sehr moderne Abstraktion handelt.

Die Auflösung lass ich aber mal weiterhin offen, hier ist ja ein Wiki wo nicht einer alles schreiben muß

HelmutLeitner

Ich versuche mal, Franz zu antworten, ohne direkt zu antworten: Das Wort Gesellschaft hat vermutlich in der Alltagssprache, verschiedenen Richtungen der Philosophie und Soziologie ganz unterschiedliche Bedeutungen. Jeder weiß, was grundsätzlich gemeint sein könnte, aber niemand kann es verbindlich definieren. Am ausgeprägtesten findet man den Begriff wahrscheinlich in der sozialen/soziologischen Systemtheorie des NiklasLuhmann?, der ja geradezu in die Serienbuchproduktion mit Titeln wie "Die Wissenschaft der Gesellschaft" ... "Die Gesellschaft der Gesellschaft" eingetreten ist.

Die Frage ist, ob es eine kurze, funktionale Definition von "Gesellschaft" gibt, die im Rahmen des GründerWiki nützlich ist, indem sie den Teilnehmern mehr gibt als das zweifellos vorhandene alltagssprach- oder allgemeinbildungs-Verständnis.

Als technisch orientierter Mensch würde ich von menschlichen Systemen ausgehen, die eine gewisse Dauerhaftigkeit haben und denen man daher Eigenschaften zuschreiben kann: Familie, Organisationen, Firmen, Gemeinschaften aller Art. Alle diese Systeme scheinen mir unterschiedlich starke Rahmen für die Menschen zu bilden, indem sie im Wechselspiel die Sprache, die Verhaltens- und Denkweisen, die Erwartungen und Prozesse bestimmen. Der Einzelne trägt zu ihnen bei und wird von ihnen - ihren Elementen, Institutionen und Normen, der Kultur - bestimmt oder zumindest beeinflusst. Die Gesellschaft erscheint dann als das umfassendste noch relevante menschliche System, wobei das "noch relevant" eine Frage der Interpretation ist. Der Staat bildet mit seinen Rechtsnormen und Medienabgrenzungen einen naheliegenden Bezugspunkt. Die natürlichen Sprachgebiete einen anderen. Vermutlich gewinnt für uns momentan die "Europäische Gesellschaft" an Wichtigkeit gegenüber einer westlichen bzw. den vielen nationalen Gesellschaften. Ein globale Gesellschaft scheint es noch nicht einmal in Ansätzen zu geben.

Interessant ist dann die Frage der Systembeschreibung: Was sind die Charakteristika einer Gesellschaft (Sprache, Kultur, Normen, Tabus, Institutionen) und wie unterscheiden sich verschiedene Gesellschaften? Was ist daran verständlich oder vernünftig? In welchem Verhältnis steht der Einzelne zur Gesellschaft (Identifikation, Freiheitsgrade, Lebenschancen, Beteiligungsformen)? Wie verhält sich die Gesellschaft zur Notwendigkeit ihrer Entwicklung (Mitbestimmung, Kritik, Innovation, Evolution & Revolution, etc.)?

-- HelmutLeitner

IMHO divergieren die Konzepte von Gesellschaft ob es eine (für alle Gesellschaft) gibt, oder ob es eine (je meine Gesellschaft) gibt. Für mich ist meine (je meine Gesellschaft) die wahrnehmbare Summe meines Beziehungs-Netzwerks mitsamt den diesen Menschen innewohnenden Verhaltensweisen. Die "schaft" meiner "gesellen". Die verbindliche Idee des (für alle Gesellschaft) ist eine Idee der Dominanz; mir steht es frei bei dem Spiel mitzuspielen oder nicht (sicherlich muss ich dann die Feedbacks der Mitglieder meiner (je meine Gesellschaft) aushalten). -- ThomasKalka

Ach das alte heikle Thema 'Gesellschaft', da muß ich schnell was dazu schreiben... Es gibt doch diese neue Plattform http://die-gesellschafter.de (hab ich noch gar nich reingeschaut fällt mir grad auf), ich sehe jedenfalls immer die viele Werbung auf Leuchttafeln hier in Augsburg. Da steht: "In welcher Gesellschaft wollen Sie leben" oder so ähnlich. Ich meine dazu: Ich will in gar keiner Gesellschaft leben. Ich will in einer Gemeinschaft leben. In der Gemeinschaft aller Menschen. Jawoll!! Es ist voll der hype nach neuen tollen "Gesellschaftsformen" kommt mir so vor. Das ist für mich eine Ablenkung von den wirklich wichtigen Dingen des Lebens. Spirituelles meine ich damit. Für den Mitleser der mich weniger kennt und/oder die message noch nicht begriffen hat. Ums durch ein anderes Beispiel nochmal krass und deutlich zu sagen: Ganz oben an der Seite schrieb Franz(?): die Soziologie sieht in Gesellschaft die "Grundtatsache der Verbundenheit der Individuen" - Fakt ist aber vielmehr, das alles was irgendwie mit dem Begriff Gesellschaft in einem Atemzug gesagt wird eine Getrenntheit aller Individuen annimmt. Das wird einem deutlich wenn man einmal eine mystische Erfahrung gemacht hat und die WIRKLICHE Verbundenheit aller Wesen gespürt hat. - So! Das wars dann mal von mir. Noch nen schönen Abend und ich muß nu wieder weiterarbeiten. ebay und so. der flo - FlorianKonnertz 13. April 2006 20:17 CET


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